Aus dem Russischen, herausgegeben und kommentiert von Eveline Passet
Nachworte von Eveline Passet und Jutta Scherrer
ca. 480 Seiten, € 34 [D] | € 35 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit zwei Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-50-6
Erscheinungstermin August 2025
Michail Prischwin (1873–1954) versuchte in seinen Tagebüchern zu verstehen, was um ihn herum passierte, und die Zeichen seiner Zeit zu entschlüsseln, in Alltagsbeobachtungen ebenso wie auf innersowjetischen Reisen, in Lektüremitschriften wie in Beschreibungen der Natur und steter Selbstbeobachtung. Im Zentrum des Jahres 1936 steht die Erkundung der Kaukasusregion Kabardino-Balkarien: Dort regiert der charismatische Führer Betal Kalmykow, der Prischwin umgarnt und ihn fasziniert, ihm aber auch bedrohlich erscheint. Vor Ort gewinnt Prischwin intime Einblicke, zeichnet sie akribisch auf – und nimmt Annehmlichkeiten, wie etwa ein Auto, gerne in Anspruch. Parallel dazu denkt er über das brüchige Gleichgewicht von Macht, Fortschritt und Gewalt nach.
Neben der Reise an die sowjetische Peripherie ist Prischwin 1936 auch in Moskauer literaturinterne Machtkämpfe verstrickt, auf Schriftstellertagungen, in Briefwechseln und öffentlichen Auseinandersetzungen. Er kämpft um literarische Anerkennung und dadurch verbundenen Schutz, um ausbleibende Ehrungen und politischen Einfluss. Hell leuchten in Eveline Passets fast seismographischer Übersetzung die Momente, in denen Prischwin sich der Ambivalenzen seiner Existenz bewusst ist: »Ich will nicht geküsst werden, und zugleich ist es kränkend, unbeachtet zu bleiben.« Das Tagebuch, in gefährlichen Zeiten einziger Raum für freies Denken, gewinnt für ihn zunehmend an Bedeutung. Sein Wert für uns Nachgeborene, süchtig danach, Erkenntnisse und Parallelen zu unserer Zeit zu finden, scheint heute unschätzbar.
Erscheinungstermin August 2025
»Man will die Gedanken nicht innerlich bis zum Ende ausreifen lassen und sie unmerklich in Handlungen umsetzen, sondern sie am Anfang packen, im Tagebuch festhalten und dort, im Prozess des Schreibens, ausarbeiten.«
Michail Prischwin