OT: Prvních deset let, 1981
Aus dem Tschechischen von Eva Profousová
Nachwort und Gedichtauswahl von Jan Faktor, übersetzt mit Annette Simon
235 Seiten, € 23 [D] | € 23,70 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-41-4

Die ersten zehn Jahre

Egon Bondy

Egon Bondy (1930–2007) galt als »Vater des tschechischen Undergrounds«, der zeitlebens als radikalverweigernder Außenseiter zwischen allen Stühlen saß. Sein wilder und ehrlicher Erinnerungstext »Die ersten zehn Jahre« kam zustande, da Freunde und Verehrer Bondy dazu drängten, seine Perspektive auf die ereignisreichen Nachkriegsjahre und seine Erlebnisse festzuhalten. Entstanden ist ein Bericht über die Zeit zwischen 1947 und 1957, der zugleich ein Portrait der tschechischen Avantgarde zeichnet: radikal subjektiv, formal und inhaltlich provozierend. Es ging diesen Avantgardisten ums Ganze – ihre Lebensverhältnisse waren während der Errichtung einer »neuen sozialistischen Gesellschaft« prekär, die Gefahr der Verhaftung und Repression schwebte bei ihrem ausschweifenden, alle Normen missachtenden Lebensstil fortwährend über ihnen, der aufbegehrende, mit Vorliebe ordinär-primitive, antipoetische literarische Ausdruck ging weiter als alles zuvor.

Inmitten der sich zusammenschnürenden politischen Verhältnisse in der Tschechoslowakei der 1950er Jahre beschreibt Bondy allerdings auch entfesselte Räume der Freiheit. Sexuell wie künstlerisch wurden Grenzen gesprengt, was eine Rückkehr in die Bürgerlichkeit unmöglich machte. Die Übersetzung von Eva Profousová folgt dem sprunghaften Erzählstil Egon Bondys in all seiner Rohheit und Rotzigkeit, glättet nichts an dessen widerständiger Verweigerungsgeste. Jan Faktor zeigt mit seiner Gedichtauswahl und im Nachwort die Neuheit und die explosive Wirkung des anarchischen Aufbruchs, der die tschechische Literatur auf den Kopf stellte und bis heute nachhallt.

»Mit den vorliegenden Erinnerungen, 1981 ohne jede Chance auf eine Veröffentlichung niedergeschrieben, werden erstmals biographische Einblicke in Bondys frühe Jahre ermöglicht. (…) Ausdrücklich hervorgehoben werden muss der von der renommierten Übersetzerin Eva Profousová erstellte Anmerkungsapparat, der auf bedeutende Persönlichkeiten und Ereignisse verweist, die außerhalb Tschechiens wenig bekannt sind. Ein kundiges Nachwort von Jan Faktor dient der literarischen Einordnung Egon Bondys. Zudem trägt Faktor, der seit seiner Übersiedelung aus der ČSSR in die DDR seit 1978 in Berlin lebt, Erhellendes über das Bekanntwerden einer Zusammenarbeit Egon Bondys mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit bei.«

Volker Strebel, literaturkritik.de

»Den Grundstein seines intellektuellen Werdegangs hat Egon Bondy unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelegt. Davon zeugt seine autobiografische Erzählung ›Die ersten zehn Jahre‹, die der Guggolz Verlag nun in der deutschen Übersetzung und mit kundigen Stellenkommentaren von Eva Profousová vorgelegt hat. (…) ›Die ersten zehn Jahre‹ erschöpft sich nicht in der Chronologie von Ereignissen, sondern zeigt das Individuum in der bedrohten Lage zwischen machtvollen Fremdansprüchen und dem eigenen Begehren und wie er sich mit der Autonomie und der Unbedingtheit der Kunst hindurchnavigieren kann.«

Alexandru Bulucz, faustkultur.de

»Es scheint, als werfe sich der junge Mann radikal und bedenkenlos einem Bohemeleben in die Arme, er zieht um die Häuser, schläft, wo immer er einen Schlafplatz findet, trinkt sich einen permanenten Rausch an, stiehlt, schmuggelt, bettelt, drückt sich erfolgreich vor jeder Erwerbsarbeit und verbringt einige Zeit in der Psychiatrie. Eva Profousová hat den Text in ein elegantes und zugleich angemessen ruppiges Deutsch gebracht.«

Tilman Spreckelsen, Frankfurter Allgemeine Zeitung

»Man hat das Gefühl, dass Bondy sich in seinen Erinnerungen sprachlich alle Freiheiten nimmt, ohne provokativ auf die Pauke zu hauen. Er fertigt wunderbare Skizzen der kulturellen Welt und des Undergrounds hinter dem Eisernen Vorhang an (…). Vor allem aber spürt man auf jeder Seite der ›Ersten zehn Jahre‹ die Spannung zwischen dem unbändigen Aufbruchswillen eines jungen, sexuell und literarisch potenten Mannes und einer stalinistischen Tschechoslowakei. Weil hier alle Freigeister auf der sprichwörtlichen Rasierklinge reiten, jederzeit Gefängnis und Schlimmeres drohen, scheint die nervöse Umtriebigkeit noch einmal intensiver.«

Ulrich Rüdenauer, SWR2 Kultur

»Dass Egon Bondy eine der schillerndsten Figuren der tschechischen Literatur war, lässt sich nicht leugnen. Jetzt endlich ist sein autobiografisches Buch ›Die ersten zehn Jahre‹ übersetzt. Es zeigt ein Enfant terrible, das sich durch amouröse Dramen der Jugendjahre kämpft, während rundum die Welt auseinanderzufallen droht. (…) ›Die ersten zehn Jahre‹ ist eine Art Doppelbiografie irrlichternder Wirklichkeiten. Nach dem Februar-Umsturz durch die Kommunisten von 1948 wird die Tschechoslowakische Republik stalinistisch regiert. (…) Jan Faktor nennt Egon Bondy entschuldigend einen Fundamentaloppositionellen. Einen unpolitischen Anarchisten, dem nur eines heilig war: der Glaube an gar nichts. Den Sound der manischen Avantgarde, wie sie von Egon Bondy verkörpert wurde, hat die Übersetzerin Eva Profousová in ein flirrendes Deutsch übertragen.«

Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung

»Das Buch berichtet nicht nur von ebenso wilden wie prekären Lebensverhältnissen am Rande der Illegalität. Es vergegenwärtigt auch eine Zeit der Bibliotheksbesuche und Lektüren, der Kaffeehausdebatten und ersten Romane. Bondys literarische Arbeiten zirkulierten bis 1989 nur im Geheimen, als Typoskripte in minimalen Auflagen. (…) Egon Bondy, vielfach als ›Vater des tschechischen Untergrunds‹ bezeichnet, ist hierzulande ein bekannter Unbekannter, denn in deutscher Übersetzung waren seine Texte bislang nur äußert lückenhaft zugänglich. Das ändert sich jetzt, mit einer fein gestalteten und sorgfältig edierten Ausgabe. Sie enthält einen Bericht Bondys über die Jahre 1947 bis 1957, ergänzt durch ein paar Gedichte, Tagebuchauszüge und eine Nachbemerkung des Autors. Akkurat und zugleich durchzogen von feiner Ironie erinnert sich Bondy an die Nachkriegsjahre.«

Dirk Hohnsträter, WDR3 Kultur

»Ein Bericht aus dem Inneren der Avantgarde-Szene in der jungen CSSR. Ein Dasein in anarchischer Lust, das wiederum von den restriktiven staatlichen Maßnahmen eingeengt wird. Bondys Stil ist roh und widerständig, ungeglättet und ungezähmt. Das Bild einer Szene, die hinter dem Eisernen Vorhang kaum wahrgenommen wurde.«

SWR Bestenliste Juli/August 2023

»Egon Bondy gilt als Vater der tschechoslowakischen Underground-Literatur. Seine Autobiographie über die Zeit von 1947 bis 1957, die wie alle seine Werke im Ostblock nur im Samisdat kursierte, erschien erstmals 2002. Nun liegt sie auch auf Deutsch vor. (…) Ständig rieb Bondy sich am Regime, arbeitete allerdings auch ein paar Mal für den tschechoslowakischen Geheimdienst. Ein absurder Höhepunkt war erreicht, als er einem westlichen Geheimdienst anbot, die sowjetische Elite mit infizierten Flöhen auszuschalten. Bondys Existenz war eine eigene Kunstform, eine Gratwanderung zwischen antibürgerlicher Grenzüberschreitung und manischer Selbstzerstörung.«

Judith Leister, SR2

»Eine wichtige Entdeckung: die Autobiografie des tschechischen intellektuellen It-Boys Egon Bondy. (…) Das Buch dokumentiert, wie die ererbte tschechische bürgerliche intellektuelle Kultur, wie Humor, Selbstironie, Resilienz und vor allem: das Schreiben – über den sozialen Vernichtungswillen eines totalitären Regimes triumphieren konnten. Und es zeigt zugleich die ruinösen psychischen und sozialen Verluste und Opfer, die dieser Triumph gekostet hat. (…) Einblicke in eine intellektuelle Weltgegend, die uns räumlich nah, aber innerlich immer noch seltsam fern geblieben ist.«

Stephan Wackwitz, die tageszeitung

»Dieses Werk ist einerseits eine eindrückliche Dokumentation der wilden Prager Literatur-Szene von 1947 bis 1957. Andererseits ist es ein subjektiv autobiografischer Bericht Bondys. (…) Bondy beschreibt diese harte Zeit, die verzweifelte Lage der jungen Literaten-Bohème in der frühen CSSR, ehrlich, selbstkritisch und sarkastisch im Ton. Allen Anfechtungen zum Trotz schreibt er weiter. Obwohl seine Texte nur im Geheimen kursieren, ist Bondy sich seiner literarischen Größe bewusst. Das hält ihn am Leben.«

Enno Stahl, Deutschlandfunk Büchermarkt

»Wer zu dem Band greift, erfährt anhand des Originaltextes und eines ausführlichen Nachworts des Autors Jan Faktor, um wen es sich handelt. Und entdeckt eine schillernde Figur des frühen Prager Undergrounds, einen tschechischen Beatnik, verstrickt in die Widersprüche seiner Zeit. (…) ›Die ersten zehn Jahre‹ sind Erinnerungen, eine Art Selbstporträt des Dichters und Schilderungen der Verhältnisse in Kunstszene und gesellschaft der Tschechoslowakei. (…) Und so ist dieser autobiographische Text, obwohl sprunghaft und unchronologisch, eine herrliche Gelegenheit eine Persönlichkeit der tschechischen Literatur kennenzulernen.«

Carsten Hueck, ORF Ex libris

»Soeben erschien eine biografische Episode des im Nachbarland berühmten und berüchtigten Schriftstellers und Philosophen Egon Bondy. In ›Die ersten zehn Jahre‹ schildert er seinen an Eskapaden reichen und wirren Beginn seiner literarischen Laufbahn von 1947 bis 1957, verfasst 1981, gewissermaßen als Erinnerungsprotokoll.«

Reiner Neubert, Freie Presse

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Egon Bondy

Egon Bondy (1930–2007) wurde in Prag als Sohn eines hohen Offiziers unter dem Namen Zbyněk Fišer geboren, sein Pseudonym wählte er aus Protest gegen den stalinistischen Antisemitismus. In den 1950er Jahren lebte der unangepasste marxistische Denker immer mit einem Fuß in der Illegalität. Bondy war anfangs noch stark vom Surrealismus geprägt, seine radikal andere Art zu dichten nannte er »Totalen Realismus«. Sein Weggefährte und Trinkkumpan war kein Geringerer als Bohumil Hrabal. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings war es Bondy nicht mehr möglich, zu veröffentlichen. Die Undergroundband »The Plastic People of the Universe« verschaffte ihm Öffentlichkeit, indem sie viele seiner Gedichte zu legendären Songs machte. Bondys Werk kursierte jahrelang nur im Samisdat. Es umfasst Gedichte, Romane und philosophische Schriften sowie die tschechische Übersetzung der »Galgenlieder« Christian Morgensterns.

Eva Profousová

Eva Profousová, 1963 in Prag geboren, flüchtete 1983 nach Westdeutschland, wo sie in Hamburg Slawistik und Osteuropäische Geschichte studierte. Sie übersetzte aus dem Tschechischen u. a. Jáchym Topol, Jaroslav Rudiš, Michal Viewegh und Radka Denemarková. Dafür wurde sie zuletzt 2022 mit dem Brücke-Berlin-Preis ausgezeichnet. Mit der Weltlesebühne e. V. setzt sie sich für Sichtbarkeit von Übersetzerinnen und Übersetzern ein.

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