OT: »Isušena kaljuža« (1906–1909)
Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert
Nachwort von Miljenko Jergović
481 Seiten, € 28 [D] | € 28,80 [A]
Gebunden, fadengeheftet und mit Lesebändchen
ISBN 978-3-945370-44-5
Ein junger Mann hustet kanariengelben Schleim ab, spuckt Blut und führt sein Leben trotzdem weiter, als wäre nichts. Er trinkt, raucht, erforscht seine Sexualität, rebelliert gegen seine Eltern und die ganze Gesellschaft. Derweil verschlechtert sich sein Gesundheitszustand zusehends und setzt ihm hart zu – aus dieser fatalen Erfahrung heraus beginnt er, einen Roman darüber zu schreiben. Die finanzielle Abhängigkeit von seiner Familie quält ihn, also löst er sich, geht zum Studium nach Rom und versucht, dort als Korrespondent seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Doch die Krankheit lässt sich nicht abschütteln: In seinem Hals entwickelt sich ein tödliches Geschwür.
»Austrocknen« ist Janko Polić Kamovs einziger Roman. Posthum veröffentlicht, beschreibt er – poetisch in alle Richtungen überschießend – die Freuden und die Dämonen eines jungen Mannes, der aufbricht, seinen Platz im Leben zu suchen, aber feststellen muss, dass die Welt nicht auf ihn gewartet hat. Kaum verhüllt autobiografisch erzählt Kamov von Rauscherfahrungen, sexuellem Erwachen, politischer und künstlerischer Bewusstwerdung und dem Aufbegehren gegen die erdrückende kleinbürgerliche Herkunft. Seine furiose Mitschrift aller Gefühlsregungen und Einfälle des getriebenen Protagonisten gewährt tiefe Einblicke in dessen aufgewühlte und sprunghafte Innenwelt. Brigitte Döberts Übersetzung kostet die Erzählfülle aus und verleiht dem Roman eine prachtvolle Sprache, mit der die Jugend, aber auch der Verfall und die Weltverachtung in glänzenden Bildern beschworen und gefeiert werden und die ihn zu einem Ereignis werden lässt.
»Die Übersetzerin Brigitte Döbert […] hat eine Mammutarbeit gemeistert. […] Janko Polić Kamovs […] Roman überzeugt durch die ungezügelte Sprengkraft seiner Sprache und die Bildkraft seiner Metaphern. Im Übrigen teilt er den Lesern mit: ›Mein Leben ist überhaupt nicht gerade verlaufen, sondern voller Brüche und Aufs und Abs.‹ Gewissheit gibt es bei Kamov nicht, wer sich auf ihn einlässt, begibt sich in ein phantastisches, herausforderndes Leseabenteuer.«
Lerke von Saalfeld, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»›Austrocknen‹ erzählt von einem jungen Mann, der mit verstörender Heftigkeit und ebenso verstörender Brillanz ein formensprengendes Aufbegehren zelebriert, das die Moderne in vielem vorwegnimmt, von der ersten Seite an. (…) Janko Polić Kamov zeichnet mit großer Intensität Augenblicke und Suchbewegungen, Wahrnehmungen und Reflexionen eines jungen Menschen nach. Ästhetische Harmonie entsteht in diesem Zeitbild einer alles umstürzenden Krise nicht. ›Austrocknen‹ wirkt faszinierend zerrissen und soll es auch.«
Jörg Plath, Büchermarkt Deutschlandfunk
»Der Roman, der von Brigitte Döbert famos übersetzt wurde, galt als unübersetzbar, weil er mit solch sprachschöpferischer Wucht verfasst ist, dass sich über manche Stellen selbst kroatische Muttersprachler nicht einig werden konnten. (…) ›Austrocknen‹ ist ein geniales, mitreißendes Werk. (…) Gleich die ersten zehn Seiten des Buches sind große Literatur. Während die Natur frühlingsschön erblüht, bemerkt der junge Schriftsteller Arsen, dass aus dem Schleim, den er seit Längerem aushustet, blutige Pfropfen geworden sind, die ihn an schöne Korallen erinnern. Frei von Angst wartet er mit einer seltsam kühlen Neugier auf die Diagnose, die ihm bestätigt, dass er die Schwindsucht hat und ihm daher nur mehr eine ›Zukunft, kurz wie der Lenz‹ beschieden sein wird.«
Karl-Markus Gauß, Süddeutsche Zeitung
»Kamov zeichnet mit großer Intensität Augenblicke und Suchbewegungen, Wahrnehmungen und Reflexionen eines jungen Menschen nach – in erstaunlichen Sprachbildern, in verschiedenen, aufgebrochenen Formen und mit souveräner Missachtung von ›Schicklichkeitsgrenzen‹. (…) All das ergibt keine ästhetische Harmonie, es wirkt zutiefst zerrissen. Und lässt ›Austrocknen‹ äußerst modern und gegenwärtig wirken.«
Jörg Plath, Ö1 Ex libris